Vorgeplänkel …
Ende 2019/Anfang 2020 war ich auf der Suche nach einem neuen Notebook. Meine primäre Anforderung war eine möglichst hohe, wenn nicht gar vollständige Linux-Kompatibilität. Das Laptop soll zur Netzwerk-Administration, Virtualisierung, Website-Erstellung und -Schulung, sowie etwas Programmierung eingesetzt werden. Spielen steht nicht auf der Liste. Ein möglichst guter Bildschirm (15-16″), mehr als 2 echte Cores, eine gute (beleuchtete) Tastatur und viel RAM.
Mit diesem Anforderungsprofil begab ich mich nun also auf die Suche…
Neben einem ganzen Haufen Gaming-Notebooks mit Windows (gleich ausgeklammert) tauchten dann noch ein paar spezielle Hersteller auf:
- Dell XPS Developer-Serie
- System76
- Purism Librem
- Entroware
- Star Labtop
- Tuxedo
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit 🙂 Einiges ist nur US oder UK, jenseits der Mittelfreigabe meiner Finanzministerin oder nicht reparaturfreundlich, bzw. nur unzureichend erweiterbar.
Um es kurz zu machen: Lassen wir also die Kohle im Lande – ich bin mit meiner Entscheidung bei Tuxedo aus Augsburg und dem InfinityBook Pro 15 gelandet. Red Edition natürlich. Wenn ich schon einen roten Admin-Rechner baue, ein rotes Auto fahre (ja, elektrisch), dann ….
Ok, back on topic. Voll Linux-kompatibel, i5 10th Gen mit 4 Kernen, 2x16GB RAM, erweiterbar bis 64GB, Intel Dual AC 9260 WiFi/BT und eine 1TByte Samsung 970 EVO+ NVMe SSD.
Die genaueren Specs gibt es hier, aber wie schlägt sich der Rechner in der Praxis?
Lieferung
Dauerte etwas. Ich hatte am 29. Dez. 2019 bestellt und bin voll in den Auswirkungen von Weihnachten, Sylvester, chinesischem Neujahr und vielleicht auch Coronavirus gelandet. Entsprechend waren einige Bauteile nicht verfügbar und es zog sich. Es war aber immer jemand als Anspechpartner bei Tuxedo verfügbar. Letzlich hatte ich den Rechner am 6. Februar hier, aber: das Warten hat sich echt gelohnt.
Lieferumfang
Das Notebook kam in einer sehr soliden Verpackung. Im ersten Umkarton befand sich neben dem Laptop noch die Tasche und in der eigentlichen Notebook-Verpackung das Infinitybook selbst, das Netzteil, 2 Linux-Poster, Anleitungen, der WebFAI-Stick, 2 Kugelschreiber (in rot :-)) und ein Schreibblock.
Ein weiteres nettes Detail am Rande: es ist noch Montagematerial für eine SATA-SSD und eine M.2-SSD dabei. Die Erweiterungsmöglichkeiten sind also prima. Allerdings habe ich noch keinen Blick ins Innere des Rechners riskiert..
Los geht’s!
Beim ersten Einschalten komplettiert der Rechner sein Setup. Dazu muss eine Ethernet-Verbindung zum Internet bestehen. Ohne das Kabel verweigert openSuSE die weitere Arbeit.
Also legt man nun seinen User an, vergibt Kennworte für sich und root, richtet mit dem Networkmanager das WLAN ein und fertig.
Herrlich, keine Bloatware, einfach nur openSUSE 15.1.
Die Tastatur hat ein sehr schönes Tippgefühl mit vernünftigem Druckpunkt und ein paar mm Weg. Schön ist auch, dass Tuxedo dem Notebook ein Layout mit normal-großen Cursor-Tasten spendiert hat. Klingt banal, erleichtert die Navigation in Texten aber enorm.
Alle Sondertasten funktionieren (wie von Tuxedo versprochen), der Farb- und Leuchtstärkewechsel der Tastatur funktionieren, Bildschirm und Lautstärke lassen sich ebenfalls über die Tastatur regeln. Perfekt!
Apropos Bildschirm: der ist m.E. richtig gut. Etwas Backlightbleed ist vorhanden, ich sehe im Betrieb aber nichts davon, Die Farben sind kontrastreich und Bilder werden nuanciert dargestellt. Er dürfte sich manchmal aber gerne noch etwas weiter aufklappen lassen.
Das einzige was bei mir nicht läuft, ist der Fingerabdrucksensor im Touchpad. Nun ja, leicht verschmerzbar.
Das Touchpad – angenehm groß, für mein Empfinden sehr präzise und damit sehr gut in der Handhabung mit zwei abgesetzten ‘echten’ Tasten. Wer von einem Clickpad kommt, muss sich also vielleicht umgewöhnen.
Bevor ich es mir mit openSUSE Leap zu gemütlich mache, wechsele ich zu Tumbleweed, openSUSEs Rolling Distro. Ein Blick in die Paketquellen zeigt mir, dass ich damit die Tuxedo-Repos abklemme und alle Treiber auf dem jetzigen Stand bleiben, da muss ich bei Gelegenheit noch nachhaken/nacharbeiten.
Jetzt aber Augen zu und durch. Beim Verarbeiten der Tumbleweed-Pakete fällt mir auf, dass der Rechner ein enormes Tempo an den Tag legt, obwohl ‘nur’ ein i5 verbaut ist. Ich habe leider die Zeit nicht gestoppt.
Mein guter alter Acer e5 575G (I5-6200U, nVidia 940MX) hat dafür deutlich länger gebraucht, wurde zudem heiß und die Lüfter laut.
Hier hingegen: Stille! Der Lüfter des Tuxedo war so eben zu hören und der Rechner wurde kaum mehr als handwarm. Nicht schlecht.
Auch die Installation von ein paar virtuellen Maschinen (Debian Webserver/Nextcloud/Wordpress) unter KVM/QEMU und auch Virtualbox liefen einandfrei und auch hier blieb der Rechner angenehm leise, quasi unhörbar. Die Kombination aus einem aktuellen Prozessor, viel RAM und einer schnellen NVMe-SSD hat sich also schon mal bewährt!
Nach so viel Arbeit ist Enstpannung angebracht. Das Medien-Share des FreeNAS hat da bestimmt ein paar Liedchen für mich – und zeigt sehr deutlich die wohl größte der zwei Schwächen des InfinityBooks. Der Sound ist komplett bassfrei, zwar nicht verzerrt und auch laut genug, aber es klingt nach Blecheimer (sorry). Zum Telofonieren reicht es, wenn man aber länger Musik hören möchte, oder auf Youtube unterwegs ist (oder ähnliches) geht das gar nicht. Gut, das Gehäuse ist etwas über 1cm dick, aus welchem Volumen soll der Bass auch kommen?
Trotzdem, schnell das Kabel in die Klinkenbuchse und den Kopfhörer auf die Ohren!
Was soll ich sagen, das Book kann ja doch Musik, und wie! Mit dem angeschlossenen Yamaha HPH-Pro500 harmonierte es jedenfalls sehr gut.
Bryan Adams Album Shine A Light klang sehr gut, die Gitarren so wie sie sollen und auch die Percussion kam nicht zu kurz. Eines DER Klavierstücke ist sicher auch Cat Stevens Morning Has Broken. Auch dieses klingt hervorragend und voll, mit guter Stereowirkung. Mit einem Kopfhörerverstärker liesse sich bestimmt noch mehr Sound holen, aber wir sind hier schliesslich bei einem Notebook 😉 In der Mikrofonbuchse befindet sich ein optischer SPDIF-Anschluss, der liesse sich für so etwas nutzen, ich habe es aber nicht testen können.
Meine Bose Soundlink Mini über Bluetooth zu koppeln war sehr einfach. Im Pairing-Modus wurde der Lautsprecher sofort erkannt und problemlos gekoppelt. Die Lautsprecherausgaben werden bei bestehender Kopplung umgeleitet und einwandfrei über Stunden gehalten. Bisher gab es da keine Probleme irgendwelcher Art.
Die USB-Connectivity ist ebenfalls sehr überzeugend. Ich habe Kameras (mehrere Canon)und auch USB-Drives und Sticks angeschlossen, die alle einwandfrei erkannt, gelesen und beschrieben werden konnten.
WiFi aka WLAN. Messungen sind hier immer etwas mit Vorsicht zu geniessen. Klar, man könnte sich allein mit seinem Notebook und dem Access-Point in einen abgeschirmten Raum setzen und die Kanalbandbreite auf 160MHz stellen. Dann misst man aber unter Idealbedingungen, die in der Praxis nirgends vorkommen. Es gibt immer einen Nachbarn mit WLAN, mir ist auch noch nie ein WLAN untergekommen, dass nur einen (Mess-) Client hat.
Daher sind die Messwerte hier im 5GHz-Band entstanden, gegen einen Ubiquiti AP AC-Pro (802.11ac Wave 1) bei 40MHz Kanalbreite mit 4SSIDs und 5-10Clients, also eigentlich Normalbetrieb im Office- und auch Home-Umfeld. Über 40MHz zu gehen macht keinen Sinn, da man dann im Office-Betrieb (Mail/Textverarbeitung/Tabellen/Surfen/ab und Streaming) eigenlich nur Overhead transportiert, aber kaum Nutzdaten.
Mit dem InfinityBook und der Intel 9260 bin ich so auf Transferraten von 13MB/s (104Mbit/s) und 20MB/s (160Mbit/s)gekommen, die Verbindungsgeschwindigkeit wurde von Linux, wie auch von UniFi mit 300 – 400Mbit/s angezeigt.
Der Durchsatz liegt damit voll im erwarteten Bereich, nichts zu beanstanden. Getestet wurde mit einem 64GByte FTP-Transfer von der Kommandozeile.
Derselbe Transfer per Kabel erfolgte mit 112,18MB/s (Gbit Wirespeed), gleichbleibend über die gesamten 64GByte Transfervolumen.
Fazit
Mit dem Tuxedo InfinityBook Pro 15 v5 erhält man ein schönes Notebook ohne echte Schwächen, wenn man über den dünnen Lautsprechersound und die mässige Webcam hinwegsehen kann.
Die Verarbeitung ist qualitativ sehr hochwertig, das Gehäuse ist sehr steif und verwindet höchstens minimal. Es knarzt nichts, es gibt keine Grate oder unangenehme Kanten. Man kann mit dem Gerät stundenlang gut arbeiten, da Bildschirm, Tastatur und Touchpad sehr angenehme Partner sind.
Die Performance ist für mich äusserst gut und mehr als ausreichend.
In der Zeit, in der ich das Book habe, habe ich den Lüfter quasi noch nie unter Last gehört, das Book ist also immer ‘cool’ geblieben.
OS und Notebook haben sich auch als sehr betriebsstabil erwiesen und sind über Tage durchgelaufen, immer mal wieder zugeklappt, ein paar Stunden später aufgeklappt und weiter gings. Erst ein Kernelupdate erforderte einen Reboot. Der Akku hält bei bei meinem Einsatzprofil etwa 7 Stunden
Für mich ist das InfinityBook jeden Cent wert – klare Empfehlung für alle die ein solides Arbeitsgerät suchen.
Ach ja, das Rot ist echt spannend, meist ist es eine Art weinrot-metallic, je nach Lichteinfall kann es aber auch ‘knalliger’ werden. Jedenfalls passt es prima zur roten oder blauen Tastaturbeleuchtung. Man muss es in natura gesehen haben!